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1.2 Kernbegriffe der Ergotherapie
Im Mittelpunkt der Ergotherapie steht der Mensch, der in seinem Alltag und in seiner Umwelt optimale Handlungsfähigkeit und Lebensqualität erhalten bzw. wieder erreichen will.
Die Begriffe „Handlung“, „Mensch“, „Alltag“, „Umwelt“ und „Lebensqualität“ sind daher für die Ergotherapie zentral.

1.2.1 Handlung (handeln, Handlungsfähigkeit)
Handlung wird in der Ergotherapie als übergreifender Begriff für alles verwendet, was ein Mensch tut, tun möchte oder was von ihm erwartet wird. Handlungsfähigkeit bedeutet, Handlungen planen und ausführen zu können. Handlungen haben eine hohe persönliche und soziokulturelle Bedeutung: Das tun zu können, was man in seinem Alltag tun möchte und braucht, ist wichtig für Gesundheit und Lebensqualität. Durch Handlungen kann der Mensch seine Umwelt verändern und etwas zur Gesellschaft beitragen, in der er lebt: Handlungen ermöglichen die Teilhabe (Partizipation) an der Gesellschaft und an verschiedenen Lebensbereichen.

Das wichtigste Ziel der Ergotherapie ist die Verbesserung der Handlungsfähigkeit.

Um Handlungen zu planen, zu organisieren und auszuführen, braucht der Mensch verschiedene Fähigkeiten und Fertigkeiten gleichzeitig
- körperliche (wie z.B. Gehen, Greifen, Dinge tragen),
- kognitive (wie z.B. Planung oder Konzentrationsfähigkeit),
- emotionale (wie z.B. Motivation und Antrieb),
- soziale und interaktive (wie z.B. Körpersprache, Nähe- Distanz-Regulation).

In der Ergotherapie werden oft alltägliche Handlungen eingesetzt, um zu erfassen, welche Fähigkeiten oder Fertigkeiten eines Menschen intakt und welche eingeschränkt sind. Handlungen und Tätigkeiten werden außerdem analysiert und gezielt so eingesetzt, dass die Handlungsfähigkeit des Klienten im Hinblick auf seine Zielsetzungen gefördert wird.

Ergotherapeutinnen nutzen alltägliche Handlungen als Mittel zur ergotherapeutischen Diagnostik und Intervention.

In der Ergotherapie sind Handlungen gleichzeitig Ziel und Mittel der Therapie.


1.2.2 Mensch
Jeder Mensch ist ein einzigartiges Wesen. Seine Interessen und Bedürfnisse hinsichtlich Handlungsfähigkeit, Teilhabe (Partizipation) bzw. Lebensqualität stehen im Zentrum ergotherapeutischer Interventionen. Sie werden sowohl bei der Zielsetzung als auch bei der Planung der Intervention berücksichtigt.

Ergotherapeutinnen definieren die Zielsetzung der Intervention, wenn immer möglich, gemeinsam mit ihren Klienten und planen und evaluieren diese mit ihm.

Handlungsfähigkeit und Lebensqualität hängen unter anderem von den Fähigkeiten und Fertigkeiten des Menschen ab. In der ergotherapeutischen Diagnostik werden diese detailliert erfasst. Die ergotherapeutische Intervention wird darauf ausgerichtet, sie so zu fördern und zu stärken, dass die Handlungsfähigkeit verbessert und die Lebensqualität erhöht wird.

Ergotherapeutinnen erfassen, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten ihrer Klienten gefördert werden müssen, um deren Handlungsfähigkeit und Lebensqualität zu verbessern.

Welche Handlungen ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt seines Lebens im Alltag benötigt und welche eine besondere Bedeutung für ihn haben, wird mitbestimmt durch die Rollen, die er in seiner Umwelt einnimmt oder einnehmen muss (z.B. Mutter-Rolle, Rolle des Arbeitnehmers). Diese werden in der Ergotherapie berücksichtigt.

Die Ergotherapeutin berücksichtigt, welche unterschiedlichen Rollen der Klient in seinem Leben einnimmt oder wieder einnehmen möchte.

1.2.3 Alltag
Der Alltag eines Menschen ist geprägt von dem, was er tun muss, tun möchte oder was von ihm erwartet wird, um
- sich selbst zu versorgen – Selbstversorgung,
- etwas zu seinem Lebensumfeld und zur Gesellschaft beizutragen – Produktivität und
- um das Leben zu genießen und sich zu erholen – Freizeit.

Aus ergotherapeutischer Sicht müssen Handlungen aus diesen drei Bereichen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, damit die Gesundheit auf Dauer erhalten bleiben kann.

Ergotherapeutinnen erfassen, welche Handlungen ihre Klienten in den Bereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit durchführen bzw. für ihren Alltag benötigen.

1.2.4 Umwelt
Jeder Mensch lebt in seinem Alltag unter individuellen Umweltbedingungen. Diese kann man im Wesentlichen in zwei Gruppen einteilen:
- Bedingungen der physischen Umwelt (z.B. Gegenstände, Zeit, Raum, Klima,
Licht, Lärm/Geräusche, Flora, Fauna);
- Bedingungen der sozialen Umwelt (z.B. Vereine, Nachbarschaft, Menschen, Tiere, Kultur,
Einstellungen, Handlungsgrundsätze).

Diese Umweltbedingungen beeinflussen,
- welche Handlungen der Einzelne in seinem Alltag benötigt,
- welche körperlichen, kognitiven, emotionalen oder sozialen Fähigkeiten zur
Handlungsdurchführung notwendig sind.

Die Umwelt beeinflusst die persönliche Bedeutung der Aktivitäten im Alltag eines Menschen. Sie kann sich auf seine Handlungsfähigkeit hemmend oder fördernd auswirken. So kann man durch Veränderung der Umwelt die Handlungsfähigkeit und Gesundheit positiv beeinflussen: Ein Gebäude, das nur über Treppen zugänglich ist, ist z.B. für einen Rollstuhlfahrer unerreichbar – eine Rampe ermöglicht es ihm, dieses Hindernis zu überwinden. Ein ergonomisch gestalteter Arbeitsplatz hilft, um z.B. Haltungsschäden vorzubeugen.

Die Gestaltung der Umwelt spielt in der Ergotherapie eine zentrale Rolle. Eine gezielt angepasste Umwelt ermöglicht und erleichtert Handlungen und kann gesundheitsfördernd wirken.

1.2.5 Lebensqualität
Der Begriff Lebensqualität umfasst subjektive und objektive Aspekte.

Zur subjektiven Lebensqualität gehört die subjektive Bewertung der eigenen Lebenssituation und Handlungsfähigkeit. Menschen, die sich in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt fühlen, beurteilen ihre Lebensqualität in der Regel negativer. Die objektive Lebensqualität beinhaltet die physischen und sozialen Umweltbedingungen.

Die Lebensqualität insgesamt steht also in engem Zusammenhang sowohl mit der Handlungsfähigkeit eines Menschen als auch mit dessen individueller Umwelt. Unter Lebenszufriedenheit verstehen wir ein subjektives psychisches Wohlbefinden als Ergebnis der Lebensqualität und als Ausmaß der Zufriedenheit mit der eigenen Situation in allen Bereichen des gegenwärtigen Lebens.

Lebensqualität und -zufriedenheit sind neben Handlungsfähigkeit und Teilhabe (Partizipation) die wichtigsten Ziele und Ergebnisse der Ergotherapie.

ausführliche Definition :

Die Ergotherapie – abgeleitet vom Griechischen „ergein“ (handeln, tätig sein) – geht davon aus, dass „tätig sein“ ein menschliches Grundbedürfnis ist und dass gezielt eingesetzte Tätigkeit gesundheitsfördernde und therapeutische Wirkung hat. Deshalb unterstützt und begleitet Ergotherapie Menschen jeden Alters, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkung bedroht sind und/oder ihre Handlungsfähigkeit erweitern möchten. Ziel der Ergotherapie ist es, Menschen bei der Durchführung von für sie bedeutungsvollen Betätigungen in den Bereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit/Erholung in ihrer Umwelt zu stärken. In der Ergotherapie werden spezifische Aktivitäten, Umweltanpassung und Beratung gezielt und ressourcenorientiert eingesetzt. Dies erlaubt dem Patienten, seine Handlungsfähigkeit im Alltag, seine gesellschaftliche Teilhabe (Partizipation) und seine Lebensqualität und

-zufriedenheit zu verbessern.

„DACHS-Definition“ der Ergotherapie, Stand 6.2.2007

Die Ergotherapie

Ergotherapie Germering

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